Abarth 600e – Follow the rules
- Ramon Egger
- 7. Nov. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Jan.

«We don’t set the rules. We just follow them.» Ein merkwürdiges Zitat für einen Sportwagenhersteller. Die brüsten sich üblicherweise gerne damit, die Regeln neu geschrieben zu haben, sind lieber leader als follower. Erst Recht im Motorsport – wo Abarth einst zuhause war. Unter anderem natürlich, daneben waren sie auch Tuner, Rennteam und Ingenieure. Und heute? Folgt man den Regeln – aus Brüssel. Alles andere als freiwillig und alles andere als gern, daraus macht Francesco Morosini, Head of Product Marketing bei Abarth, kein Geheimnis. Aber es gehe eben nicht anders. Wolle man die CO2-Grenze von 95 g/km erreichen, müsse man zwangsläufig Elektroautos verkaufen. Und über das Verbrenneraus im Jahr 2035 macht der «pistonhead at heart» auch keine Freudensprünge, aber man müsse es zur Kenntnis nehmen und bereit sein dafür. Noch selten hat ein Hersteller offener seinen Missmut über den Zwang zur Elektromobilität ausgedrückt.
Scorpissima mit 280 PS. Und Soundgenerator
Die harten Fans der Marke wird man damit kaum überzeugen, das weiss man auch bei Abarth, und zeigt an der Pressekonferenz demonstrativ all die negativen Kommentare, die man auf die Ankündigung erhalten hat, Elektroautos zu bauen. Und trotzdem: Auch der 600e soll ein echter Abarth sein. Wir möchten es glauben, schliesslich war schon der 500e ganz ordentlich, auch wenn ihm der Sound fehlt, der so unzertrennbar mit Abarth verbunden ist. Der mindestens die Hälfte der Emotionen von 595 und 695 ausgemacht hat, bei dem der Stecker für das Magnetventil der Klappenauspuffanlage so prominent im Motorenraum positioniert war, dass er förmlich danach schrie, ausgesteckt zu werden. Im 600e blubbert, wie schon im 500e, ein Soundgenerator. Etwas dezenter zwar als im Cinquecento, immer noch: unnötig. Und zum Glück ausschaltbar.

Die Entwicklung des 600e passierte in Frankreich, in der Motorsport-Abteilung von Stellantis, die bereits am Alfa Romeo Junior Veloce mitgewirkt und die CMP-Konzernplattform zur sportlichen «Perfo eCMP» getrimmt hat. Entsprechend ähnlich lesen sich denn auch die technischen Eckdaten: 280 PS maximale Motorleistung im Scorpissima (im Turismo sind es 240 PS), ein selbstsperrendes Torsen-Differenzial an der Vorderachse, ein neues Fahrwerk mit 25 Millimeter Tieferlegung, eine härterer Abstimmung vor allem an der Hinterachse. Dazu grössere Bremsen von Alcon mit auffälligen Zusatzgewichten um Schwingungen am Bremssattel zu verhindern.
Wir fahren den 600e auf dem Testgelände in Balocco auf dem «Langhe Track» , der einer typisch italienischen Landstrasse nachempfunden ist – offiziell gibt es auch hier ein Tempolimit, daran halten tut sich niemand. Typisch italienische Landstrasse eben. Und weil die Basis dieselbe ist, drängt sich der Vergleich mit dem Junior auf. Die Lenkung ist weniger direkt, die Hinterachse fühlt sich deutlich härter an. So wirkt er nervöser, weniger ausgewogen als der Cousin von Alfa, das Heck wird gelegentlich unruhig, die Hinterachse springt über den unebenen Asphalt. Am Ende schiebt es dann aber eben doch über die Vorderachse.
Mechanisch wird gebremst
Aber wenn wir ehrlich sind: Niemand sollte einen getunten Fiat 600 bis zur Haftungsgrenze über Landstrassen jagen. Die 345 Newtonmeter Drehmoment und 0 bis 100 km/h in 5,85 Sekunden sind mehr so: Sportlichkeit im Alltag eines Kompakt-SUV. Auch wenn sich der 600e kleiner anfühlt, kompakter aussieht als der Junior: Die Platzverhältnisse sind besser, vor allem auf der Rückbank, weil die massigen Integral-Sitze des Juniors durch Schalen von Sabelt ersetzt wurden. Der «erste Familien-Abarth», wie Morosini betont, taugt so tatsächlich als Familienauto. Dann drängt sich Fahrmodus «Turismo» auf, der die Motorleistung deutlich zurücknimmt und die Rekuperation der E-Maschine verstärkt. Beziehungsweise: überhaupt erst aktiviert, denn im sportlicheren Fahrmodus «Scorpion Track» wird ausschliesslich mechanisch gebremst – wegen dem konstanten Gefühl am Bremspedal. Da ist die Bremse dann auch fein dosierbar – wobei andere Hersteller mit einer sauberen Abstimmung dasselbe Resultat hinkriegen, ohne die Rekuperation gleich zu eliminieren.

Und dann ist noch das Problem mit der Batterie: 51 kWh Kapazität sind nicht besonders viel. Der Alltagsverbrauch liess sich auf ein paar Runden in Balocco kaum evaluieren, aber bereits die 320 Kilometer Reichweite, die Abarth angibt, sind nicht gerade überragend. Ausserdem kann mit maximal 100 kW geladen werden, was heute ganz einfach zu wenig ist – kleine Batterie hin oder her.
Zwei Varianten hat Abarth im Angebot: Den Turismo mit 240 PS), der braucht dann etwas länger von 0 auf 100 (exakt 6.24 Sekunden sollen es sein). Und den 280 PS starken Scorpionissma. Der hat zusätzlich unter anderem die Schalensitze und das Navi als Serie, ausserdem die Lackierung in «Hypnotic Purple», die ganz offiziell inspiriert ist vom hypnotischen Trip, den man nach dem Stich durch einen Skorpion durchlebt. Die Preise für die Schweiz kennt man noch nicht, Pläne, den Abarth 600, analog zum Fiat, auch als Verbrenner zu bringen soll es übrigens vorerst nicht geben.
Text: Ramon Egger
Bilder: Abarth
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